Erfahrungen im Gewahrsam

September 23rd, 2020 by zentrumantirassistischerpolitik

Essen. Nachdem die Polizei das ZAP am Weberplatz Montag Nacht geräumt hatte, wurden viele der Aktivist*innen zwecks Personalienfestellung mit zur Polizeiwache genommen und dort in Einzelzellen gesperrt. Unter den Aktivist*innen waren auch drei Menschen, die regelmäßig lebensnotwendige Medikamente zu sich nehmen müssen, welche die Polizei Essen ihnen verweigerte. In diesem kurzen Text wollen wir von unseren Erfahrungen berichten und auf das rechtswidrige und diskriminierende Verhalten der Essener Polizist*innen aufmerksam machen.

Einer Aktivistin wurden beispielsweise ihre Hormone verweigert. Die Aktivistin ist trans*weiblich und nimmt daher ein Östrogenpräparat, da ihr Körper das Hormon nicht selbst in außreichender Menge herstellen kann. Wird das Medikament nicht regelmäßig eingenommen oder unkontrolliert abgesetzt können Nebenwirkungen wie Hitzewallungen, Schwindel, Übelkeit, aber auch längerfristige Erkrankungen wie Osteoporose und Thrombose die Folge sein. Sie hat die Polizist*innen mehrfach aufgefordert ein*e Ärtzt*in zu sehen. Die Cops wiederholten stumpf immer wieder, dass sie nicht entscheiden könnten, ob die Aktivistin ihre Hormone nehmen dürfte, und verweigerten gleichzeitig mehrmals den Besuch einer Ärtzt*in und medizinische Versorgung. Das zeigt, dass die Polizei Essen wohl ihre eigene Gewahrsamsordnug (§5 Absatz 2) nicht gut genug kennt, denn dort ist in §5 Absatz 2 genau dieses Recht verankert.
Die größte Demütigung sagte die Aktivistin jedoch, sei die Abnahme ihrer Brustprotesen gewesen: “Die Polizist*innen sagten mir ich muss meinen BH ausziehen, obwohl es ein Sport-BH ohne Metallbügel war, an denen ich mich hätte verletzen können. Ich würde gern wissen, ob alle cis-Frauen ihren BH ausziehen müssen. Nachdem ich mich mehrfach beschwerte, das Verhalten der Polizei sei trans*feindlich, wurde mir erwidert: ‘Komm uns hier nicht mit der Diskriminierungskeule. Wir sind doch voll nett zu dir.'”

Auch einem trans*männlichen Aktivisten wurden seine Hormone verweigert. Unterstützende versuchten ihm das Testosteronpräparat in die Wache zu bringen. Die Polizei Essen wollte auch hier die Personalien des Aktivisten durch Erpressung herrausfinden; sie würden ihm die Hormone geben, wenn die Unterstützer*innen ihnen den Namen verraten. Außerdem wurde der Besetzer mehrfach von verschiedenen Beamt*innen missgendert, also mit falschen Pronomen angesprochen. Neben weiblichen verwendeten sie sogar das für den Aktivisten objektifizierende Pronomen, “es” und beleidigten ihn somit bewusst.

Einer anderen Person aus der Besetzung wurden im Polizeigewarsam HIV Medikamente verweigert. Dass solche Medikamente lebensnotwendig sind, war der Polizei dabei egal: “Wenn der dazu nichts sagt, kann das ja nicht so wichtig sein”, sagte ein*e Polizist*in zu ein*er anderen Beamt*in während die
Tasche durchsucht wurde und das Medikament ihre Aufmerksamkeit erregte. Direkt darauf versuchten die Beamt*innen die Person mit dem reproduzieren von Stigmata über HIV-Erkrankte zu nötigen Aussagen zu der eigenen Person als auch zu der Erkrankung zu machen.
“Das wäre schon das wiederlichste was ein Mensch machen kann, wenn er nicht sagt wenn er ansteckende Krankheiten hat. Damit gefährden Sie ja andere.”
Diese Szenerie gipfelte darin, dass die Beamt*in zu der Kolleg*in auf die Frage nach dem Namen des Medikamentes zum protokollieren, nur antwortete “Nein, nein schreib einfach Tabletten auf. Das kann ja alles nicht so wichtig sein. Sonst würde er ja seine Personalien angeben”
Desweiteren ist davon auszugehen das bei dieser Person ein Vermerk “ANST” im Polizeilichen_Vermerksystem “POLAS NRW” gemacht wurde: Dass diese Person ansteckend sei.
Dieses stigmatisierende Vorgehen der Polizei NRW wurde 2016 bereits von der AIDShilfe im Rahmen einer Anfrage der LINKEN im NRW-Landtag angeprangert und publik gemacht. (https://www.aidshilfe.de/meldung/polizei-nrw-stigmatisiert-hiv-positive.)

Zusammenfassend können wir über unsere Erfahrungen im Gewarsam der Polizei Essen sagen:
Die Polizei hat mal wieder bewiesen, dass sie, wie die Veröffentlichungen und Vorfälle jüngster Zeit gezeigt haben, nicht nur strukturell rassistisch sind sondern auch in Homo- und Trans*feindlichkeit ganz weit vorne liegen.
Es bleibt dabei weiterhin auch unklar, ob die Polizei ihre eigenen Gestze nicht kennt oder sie bewusst missachtet. Gegen dieses sowohl rechtswidrige als auch diskriminierende Verhalten der Polizei Essen werden wir gerichtlich vorgehen.

There are no queer friendly cops! ACAB

Pressemitteilung

September 7th, 2020 by zentrumantirassistischerpolitik
Hausbesetzung für ein antirassistisches Zentrum am Weberplatz

07.09.2020

Essen. In der Nacht vom 06. auf den 07.09 haben Aktivistinnen ein Haus
am Weberplatz besetzt. Sie fordern, kurz vor der Kommunalwahl, ein
selbstverwaltetes Zentrum für antirassistische Politik.
Aktivistin Anna Chi: "In Essen hat sich in den letzten Jahren eine
rassistische Law-and-Order-Politik entwickelt. Wir wollen mit dieser
Aktion den von Rassismus Betroffenen langfristig eine Plattform geben,
um sich gegen die rassistischen Zustände zur Wehr zu setzen. Emma
Zipation ergänzt: “Wir wollen unsere privilegierte Position als
mehrheitlich weiße Aktivistinnen nutzen, um dieses Zentrum zu erkämpfen,
in dem wir auch Verbündetenarbeit für die Betroffenen entwickeln und
unsere eigene Verstrickung in die rassistische Gesellschaft relfketieren
wollen. Außerdem sind marginalisierte Gruppen generell nicht selbst in
der Verantwortung, ihre Diskriminierung aufzulösen.”
Die Aktivistinnen bemängeln außerdem einen generellen Mangel an
unkommerziellen Räumen zur Selbstentfaltung und stellen fest:
“Auch das cis- und heternormative Patriarchat und der Kapitalismus sind
uns ein Dorn im Auge.”
Die Gruppe ist ein loser Zusammenschluss von Aktivistinnen, die sich
basisdemokratisch und hierarchiefrei organisieren.

Twitter: @zap_essen
Website: zentrumantirassistischerpolitik.blackblogs.org